Gesellschaft
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Streit ums Kindeswohl

Für eine Gleichstellung von Homo-Paaren im Adoptionsrecht gäbe es eine Mehrheit in Bevölkerung und Bundestag. Die Grünen testen die Lage.

Justizministerin bohrt dicke Bretter

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger legte sich beim Kölner CSD wieder voll ins Zeug. Gerade hatte sie mit der Kompassnadel des Schwulen Netzwerks NRW eine der wichtigsten Community-Auszeichnungen der Republik erhalten, da lobte sie schon die maßgeblich von ihr selbst angestoßenen Errungenschaften der schwarz-gelben Koalition. So sei die Gleichstellung von schwulen und lesbischen Lebenspartnern bei BAföG, Grund- und Erbschaftssteuer bereits beschlossene Sache, die Gleichstellung von Beamten in Arbeit. Nur in Sachen Adoptionsrecht gelte es "bei diesem Partner" noch dicke Bretter zu bohren, verklausuliert gab die FDP-Frontfrau zu verstehen, dass in dieser Legislaturperiode wenig Hoffnung auf eine Veränderung besteht.

Schon vor dem Start in die Pride-Saison hatte sich die Justizministerin ins Zeug gelegt, und erstmals zeigte sich eine zarte Bewegung auch auf Unionsseite. "Kinder aus Regenbogenfamilien brauchen den gleichen Respekt und die gleiche Sicherheit wie alle anderen Kinder auch. Respekt entsteht auch durch die gleiche Behandlung der Kinder vor dem Gesetz", schrieb sie in der "taz". "Ein gemeinsames Adoptionsrecht für homosexuelle Paare leitet keinen 'Anspruch auf ein Kind' ab, sondern schafft zuallererst mehr Rechtssicherheit. Spanien, Großbritannien und Schweden machen es vor, im Interesse der Kinder."

In einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse" signalisierte ihre CDU-Kollegin aus dem Familienressort zumindest Entgegenkommen. "Kinder werden auch in homosexuellen Partnerschaften sehr liebevoll und behütet erzogen. Bei der Adoption geht es um das Kindeswohl – und sonst nichts", betonte Kristina Schröder. Aber: "Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir: Kinder profitieren, wenn sie Vater und Mutter haben. Diese Verschiedengeschlechtlichkeit ist die einzige Eigenschaft, die sowohl homosexuelle Paare wie auch Alleinerziehende naturgemäß nicht haben."

Mehrheit für Adoption

In der Bevölkerung hat längst ein Umschwung stattgefunden: Glaubt man einer repräsentativen Umfrage der von der respondi AG betriebenen Meinungsplattform Mingle, dann sprechen sich 61 Prozent der Deutschen dafür aus, homosexuelle Paare Kinder adoptieren zu lassen. Die Zustimmung nehme mit dem Alter allerdings ab, fanden die Befrager heraus, in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen stimmten "nur" noch 53 Prozent mit "Ja". Doch egal, in welcher Altersgruppe gefragt wurde, welchen Bildungsgrad die Befragten aufwiesen oder was sie verdienten – immer fand sich eine Mehrheit.

Auch im Bundestag gibt es eine Mehrheit von 61,5 Prozent der Abgeordneten. Widerstand der Union hin, Koalitionsräson her – zumindest theoretisch könnte die FDP mithilfe aller Oppositionsparteien das volle Adoptionsrecht durchdrücken.

"Vormodernes Familienbild"

Die Grünen wagen die Probe aufs Exempel, sie brachten am 1. Juli einen Entwurf zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes in den Bundestag ein.

"Kinder haben vielmehr ein Recht auf Liebe, Fürsorge, Aufmerksamkeit und Geborgenheit. All dies können sie bei gleichgeschlechtlichen Eltern grundsätzlich in gleicher Weise erfahren wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren. Lesben und Schwule sind genauso verantwortliche Eltern wie andere Menschen", betonte Volker Beck, erster parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion zur Begründung.

Ein genereller Ausschluss vom gemeinsamen Adoptionsrecht stelle die Fähigkeit von Lesben und Schwulen zur Kindererziehung aus ideologischen Gründen pauschal infrage, aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen. "Ob eine Adoption im konkreten Fall dem Wohl des Kindes dient, muss bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften genauso wie bei Ehepaaren jeweils im Einzelfall der sachkundigen Entscheidung des Vormundschaftsgerichts überlassen bleiben." Beck forderte CDU und CSU auf, Abschied von ihrem "vormodernen Familienbild" zu nehmen, "welches den Menschen vorschreiben will, wie sie zu leben haben".

Doch die denkt gar nicht daran. Am 5. Juli wies die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion die Justizministerin in ihre Schranken. Bewusst sei dieses Thema nicht im Koalitionsvertrag aufgenommen werden, die FDP solle sich gefälligst an die Absprachen halten, erklärte Dorothee Bär. "Für die CDU/CSU steht ausschließlich das Wohl des Kindes im Vordergrund. Es kann nicht sein, dass unerfüllte Wünsche einzelner dem Recht des Kindes auf Vater und Mutter vorgezogen werden. Kinder brauchen beide Elternteile – Vater und Mutter in ihrer unterschiedlichen Ausprägung."

Der grüne Gesetzentwurf ist nun erst einmal im zuständigen Familienausschuss gelandet – Fortsetzung folgt.

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